September 2014

Neues aus der Rechtsprechung

Die Minderung des Heimentgelts wegen mangelhafter Leistung ist nur durch ein explizites Kürzungsverlangen rückwirkend für sechs Monate möglich

(Urteil des OLG Frankfurt vom 20.10.2013, 1 U 153/12)

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte darüber zu entscheiden, ob der Kläger eine Minderung des Heimentgelts nach dem Tod seiner Schwiegermutter mit der Begründung geltend machen kann, dass diese aufgrund von Personalmangel Hunger gelitten und Magenschmerzen bekommen hatte. Darüber hinaus versuchte er aufgrund der Vernachlässigung, Schmerzensgeldansprüche gelten zu machen.

Das Pflegeheim hatte den Schwiegersohn nach dem Tod seiner Schwiegermutter auf Zahlung der zurückgehaltenen Heimpflegekosten verklagt. Der Beklagte wandte dagegen ein, dass seine Schwiegermutter nicht wie vereinbart betreut worden sei, indem die Versorgung mit Essen teilweise unterlassen worden sei. Vorab hatten seine Frau und er bereits mehrfach gegenüber dem Kläger die unzureichende Pflege bemängelt und die Zahlungen zurückbehalten, bis eine hinreichende Pflege wieder gewährleistet wäre.

Das LG Frankfurt hatte den Beklagten dennoch zur Zahlung der ausstehenden Heimpflegekosten verurteilt. Diesem Ergebnis folgte auch die Berufungsinstanz. Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass der Beklagte und seine Frau gegenüber dem Pflegeheim nicht ausdrücklich die Minderung des Heimentgelts erklärt hätten. Die Angabe, dass die Zahlungen zunächst zurückbehalten würden, reiche laut OLG nicht aus. Stattdessen entstehe anders als im Mietrecht der Kürzungsanspruch nicht automatisch kraft Gesetzes, sondern erst durch die explizite Erklärung, dass eine Kürzung unter Angabe der Gründe erfolgt. Durch die Erklärung könnten auch nur zukünftige Ansprüche sowie rückwirkende Ansprüche für die letzten sechs Monate geltend gemacht werden. Selbst wenn die Gründe bereits länger als sechs Monate vorlägen, seien alle älteren Ansprüche verfristet und könnten nicht durchgesetzt werden.

Auch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit etwaigen Schmerzensgeldansprüchen aufgrund mangelhafter Pflege konnte laut Gericht nicht berücksichtigt werden, da nur die Ehefrau des Beklagten als Erbin der Verstorbenen diese Ansprüche hätte geltend machen können.

Anmerkung:

Die Erben verstorbener Heimbewohner haben das Recht, etwaige Schmerzensgeldansprüche auch nach dem Tod der pflegebedürftigen Person gegenüber dem Pflegeheim geltend zu machen, insofern sich die Obhutspflichtverletzung vor Gericht beweisen lässt.


Nach dem Versterben eines Arbeitnehmers geht sein Urlaubsabgeltungsanspruch auf die Erben über

(Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12.06.2014, C-118/13)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte darüber zu entscheiden, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch eines verstorbenen Arbeitnehmers von seiner Ehefrau als Erbin gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden kann. 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging bisher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers keinen Anspruch auf Abgeltung nicht gewährten Urlaubs gegenüber dem Arbeitgeber haben. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hielt diese Rechtsprechung des BAG für einen Verstoß gegen geltendes Europarecht. Es legte daher die zu entscheidende Rechtsfrage dem EuGH zur sog. Vorabentscheidung vor.

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung des BAG gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88 EG verstößt und damit europarechtswidrig ist. Hiernach steht jedem Arbeitnehmer bezahlter Jahresurlaub von mindestens vier Wochen zu. Aus Sicht des Gerichts hat ein Arbeitnehmer, der diesen Mindesturlaub nicht nehmen kann, einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach Auffassung des EuGH kommt es für diesen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht darauf an, auf welche Art und Weise das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Auch der Tod eines Arbeitnehmers beendet das Arbeitsverhältnis, sodass seine Erben Anspruch auf Auszahlung der noch offenen Urlaubsabgeltung eines ggf. nicht genommenen Resturlaubsanspruches haben.

Hinweis:
Die Entscheidung bezieht sich bisher lediglich auf den nach dem Bundesurlaubsgesetz zu gewährenden Mindesturlaub. Steht dem verstorbenen Arbeitnehmer darüber hinaus (tarif-)vertraglich vereinbarter Urlaub zu, so ist dieser nach derzeitiger Rechtsprechung nicht abzugelten.


Fristlose Kündigung wegen entwürdigenden Verhaltens gegenüber einer pflegebedürftigen Person

(Urteil des LArbG Berlin-Brandenburg vom 07.11.2013, 25 Sa 1077/13)

Das Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin-Brandenburg hatte darüber zu entscheiden, ob die fristlose Kündigung einer Hauswirtschafts- und Pflegehilfskraft wirksam war.

Der Kläger wurde von der verantwortlichen Pflegekraft mit der Durchführung der Körperpflege eines körperlich beeinträchtigten Pflegebedürftigen beauftragt. Bei einer vorab angekündigten Kontrolle traf die Pflegekraft den Kläger an, als er sich in das Pflegebad eingeschlossen hatte und buchlesend in der Badewanne lag, die er sich mit mehreren Handtüchern ausgelegt hatte, während sich der Pflegebedürftige auf der Toilette sitzend allein anzuziehen versuchte. Bereits zuvor war dem Kläger eine Abmahnung angedroht worden, als dieser dabei angetroffen worden war, wie er im Zimmer eines Pflegebedürftigen saß, anstatt die Zimmerreinigung durchzuführen.

Die Beklagte entschied sich zur fristlosen Kündigung und informierte die Mitarbeitervertretung (MAV) vor deren Ausspruch. Dabei teilte sie der MAV fälschlicherweise mit, dass der Kläger 48 statt 52 Jahre alt sei. Ferner teilte sie mit, dass der Kläger kinderlos sei, obwohl er zwei erwachsene Kinder hat. Die MAV widersprach der fristlosen Kündigung nicht.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt/Oder gab dem Kläger in erster Instanz Recht. Es stützte seine Entscheidung darauf, dass die Kündigung aufgrund der falschen Sozialangaben gegenüber der MAV unwirksam sei. Darüber hinaus vertrat das Gericht die Auffassung, dass aufgrund einer fehlenden Abmahnung die fristlose Kündigung unverhältnismäßig sei.

Die Berufung vor dem LArbG Berlin-Brandenburg hatte Erfolg. Das Gericht entschied, dass das Fehlverhalten des Klägers eine schwere Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt, da es die pflegebedürftige Person erheblich entwürdigt hatte. Darüber hinaus sei das Vertrauensverhältnis dauerhaft erschüttert, da der Kläger sich bereits zuvor den Anweisungen der Beklagten widersetzt hatte. Das Vertrauensverhältnis könne auch nicht durch die weniger einschneidende Maßnahme einer Abmahnung wiederhergestellt werden, weil der Kläger durch das Abschließen des Bades bewusst versucht hatte, der Kontrolle durch die Pflegekraft zu entgehen. Demnach war nach Auffassung des Gerichts nicht mit einer Besserung des Verhaltens zu rechnen.

Auch die Beteiligung der Mitarbeitervertretung sei dem Sinn und Zweck nach erfüllt gewesen, da zumindest die entscheidungserheblichen Richtwerte wie Altersstufe und nicht mehr bestehende Unterhaltsverpflichtung für minderjährige Kinder bekannt gewesen seien. Zudem sei der Mitarbeitervertretung die Kündigungsabsicht bekannt gewesen.


Der arbeitsrechtliche Tipp

Die Veröffentlichung von Mitarbeiter-Fotos

Die Rechte von Mitarbeitern bei Veröffentlichung von Fotos durch den Arbeitgeber, auf denen sie abgebildet sind, ergeben sich aus dem "Recht am eigenen Bild" (Art. 1, 2 Grundgesetz, § 22 Kunsturhebergesetz) und dem Datenschutzrecht.

Arbeitgeber sollten die folgenden Punkte beachten:

  • Mitarbeiter müssen eine wirksame schriftliche Einwilligung in die Veröffentlichung ihrer Bilder gegenüber dem Arbeitgeber erteilt haben. Ist eine solche Einwilligungserklärung in den Arbeitsvertrag integriert, so muss sie optisch besonders hervorgehoben werden (bspw. Fettdruck).

  • Arbeitnehmer können in einem Arbeitsvertrag nicht zur Abgabe einer Einwilligungserklärung in die Verwendung ihrer Fotos verpflichtet werden.

  • Hat der Arbeitgeber den Mitarbeitern ein jederzeitiges Widerrufsrecht hinsichtlich der Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotos eingeräumt, so muss er bei Ausübung dieses Widerrufsrechts die veröffentlichten Fotos des betroffenen Mitarbeiters umgehend entfernen.

  • Ist eine Widerrufsmöglichkeit nicht vereinbart, so dürfte ein Widerruf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur zulässig sein, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt. Der Arbeitgeber kann entsprechende wichtige Gründe auch gleich in der Einwilligungserklärung regeln.

  • Stand dem Mitarbeiter das Recht zum Widerruf seiner erteilten Einwilligung zu und macht er davon Gebrauch, so sollte der Arbeitgeber die verwendeten Fotos umgehend entfernen, da er sich anderenfalls Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen des Mitarbeiters ausgesetzt sehen kann.

Sind Mitarbeiter auf dem Bild nur sog. "Beiwerk", weil sie bspw. im Hintergrund zu erkennen sind, ohne gezielt abgebildet worden zu sein, so steht ihnen im Regelfall kein Recht auf Entfernung des veröffentlichten Fotos zu (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 Kunsturhebergesetz).


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