01/2017

Neues aus der Rechtsprechung

Rund 23% Mehrkosten bei der Wahl eines Heimplatzes sind nicht unverhältnismäßig.

(Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.09.2016, L 15 SO 141/12)

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte darüber zu entscheiden, ob ein Landkreis als beklagter Sozialhilfeträger für den Zeitraum Juli 2009 bis Juli 2014 insgesamt rund 11.500,- € offene Heimkosten der Klägerin gegenüber dem Pflegeheimträger im Rahmen der Hilfe zur Pflege zu übernehmen hatte.

Die demenziell erkrankte Klägerin war im Juli 2009 in ein Pflegeheim an ihrem Wohnort umgezogen. Am Wohnort leben zwei ihrer Töchter, die sich regelmäßig um sie kümmern. Der beklagte Landkreis lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kostensatz der Einrichtung um rund 23% teurer war, als der anderer Einrichtungen am Ort und in der weiteren Umgebung. Die günstigeren Kostensätze der Vergleichseinrichtungen ergaben sich daraus, dass diese vom Land Brandenburg hinsichtlich ihrer Investitionskosten gefördert werden.

Das Sozialgericht Neuruppin wies die Klage zunächst ab. Die hiergegen eingelegte Berufung vor dem LSG war im Wesentlichen erfolgreich. Das Gericht verurteilte den Sozialhilfeträger zur Übernahme von 11.459,83 € ungedeckter Heimkosten im streitigen Zeitraum.

Das LSG wies zunächst darauf hin, dass es schon zweifelhaft sei, ob der beklagte Landkreis die Übernahme der Heimkosten ablehnen durfte, obwohl er mit dem Pflegeheim wirksame Kostensatzvereinbarungen abgeschlossen hat. Das Gericht lies diesen Punkt allerdings ausdrücklich offen.

Aus Sicht des LSG hatte die Klägerin im Rahmen ihres Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB XII das Recht, sich das Pflegeheim auszusuchen, in das sie eingezogen war. Zunächst durfte der Beklagte sie nicht auf Heime außerhalb ihres Wohnortes verweisen. Für einen Kostenvergleich durfte er nur die verschiedenen Heime am Wohnort der Klägerin heranziehen. Die hierbei ermittelten rund 23% Mehrkosten im Vergleich zu einigen anderen ortsansässigen Pflegeheimen hielt das LSG Berlin-Brandenburg für nicht unangemessen.

Das LSG stellte dabei ferner klar, dass ein Kostenvergleich vom beklagten Sozialhilfeträger konkret anhand der Tagessätze der verglichenen Einrichtungen vorzunehmen ist. Der Beklagte hingegen hatte die Mehrkosten erst nach einer Anrechnung des klägerischen Einkommens ermittelt. Dies führt aus Sicht des Gerichts zu Ungleichbehandlungen von Betroffenen mir mehr oder weniger anrechenbarem Einkommen.

Anmerkung:

Das LSG stellt in seinem Urteil klar, dass eine Überschreitung der durchschnittlichen Heimkosten in Höhe von mehr als 50% in der Regel unverhältnismäßig sein dürfte. Es verweist auf anderweitige Rechtsprechung, in der jedenfalls eine Überschreitung um bis zu 29% noch für angemessen gehalten wurde.

Die Berufungsentscheidung des LSG Berlin-Brandenburg ist nicht bestandskräftig geworden. Aktuell ist die Revision vor dem Bundessozialgericht anhängig (Az. B 8 SO 30/16 R).


Rechtstipp

Bestandskraftregelung bei der Hilfe zur Pflege seit 01.01.2017 / Hilfe in sonstigen Lebenslagen

 

Durch das Pflegestärkungsgesetz III ist seit Januar 2017 die neu geregelte Hilfe zur Pflege im SGB XII in Kraft getreten. Umfassende Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten danach nur noch Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5. Personen mit dem Pflegegrad 1 erhalten im Wesentlichen einen Zuschuss i.H.v. 125,- € pro Monat.

Gemäß § 138 SGB XII erhalten Personen, die am 31.12.2016 Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten hatten, diese so lange weiter, bis der zuständige Sozialhilfeträger eine eigene neue Bedarfsermittlung nach § 63a SGB XII durchgeführt hat. Wird bei dieser Bedarfsermittlung festgestellt, dass dem Betroffenen kein Pflegegrad oder lediglich Pflegegrad 1 zusteht, so fallen die bisher gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege mit dem Neufeststellungsbescheid bzw. Aufhebungsbescheid weg. Sollte sogar ein höherer Bedarf festgestellt werden, so erhält der Betroffene ab dem 01.01.2017 rückwirkend höhere Leistungen.

Viele Sozialämter haben zum Jahreswechsel sämtliche Leistungen an Heimbewohner eingestellt, die bis zum 31.12.2016 Hilfe zur Pflege erhalten hatten und bei denen eine Pflegestufe 0 ohne eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt war. Bis Ende letzten Jahres hatte auch dieser Personenkreis unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Hilfe zur Pflege. Dieser Anspruch ist nach § 138 SGB XII so lange weiterhin gegeben, bis die zuständigen Sozialämter die Bedarfsfeststellung nach § 63a SBG XII vorgenommen haben. Das Vorgehen der Sozialämter ist somit rechtswidrig, wenn diese unter Nichtbeachtung der Übergangsfrist ab 01.01.2017 die Leistungen eingestellt haben. Die Bewohner bzw. deren rechtliche Vertreter können direkt vor dem zuständigen Sozialgericht auf Leistung klagen, so dass die Einrichtungen jedenfalls bis zu der erforderlichen Neufeststellung nach § 63a SGB XII noch die Heimentgelte auf Basis der bis 31.12.2016 bewilligten Hilfe zur Pflege zu erhalten haben.

Kommt der zuständige Sozialhilfeträger bei einer Neufeststellung nach § 63a SGB XII zu dem Ergebnis, dass Hilfe zur Pflege nicht mehr zu bewilligen ist, weil kein Pflegegrad bzw. nur Pflegegrad 1 vorliegt und in stationären Einrichtungen Hilfe zur Pflege erst ab dem Pflegegrad 2 zu bewilligen ist (§ 65 SGB XII), so sollte von dem Betroffenen bzw. dessen rechtlichem Vertreter ein Antrag auf Bewilligung von Hilfen in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII gestellt werden. Durch die Gesetzesänderung ab Januar 2017 ist der konkrete Hilfebedarf der Betroffenen nicht entfallen, kann nur aktuell nicht mehr über die Hilfe zur Pflege sichergestellt werden. Ein Antrag auf Basis des § 73 SGB XII erscheint daher sinnvoll.

Bei einer Ablehnung der Hilfen nach § 73 SGB XII sollte von den Betroffenen bzw. deren rechtlichen Vertretern der Rechtsweg vor die Sozialgerichte beschritten werden. Es bedarf dringend einer Klärung, auf welcher Rechtsgrundlage die erforderlichen Hilfen den Betroffenen von den Sozialhilfeträgern zu bewilligen sind.


Neues aus der Gesetzgebung I

Neue Schonvermögensgrenzen für alle Sozialhilfeempfänger

 

Aufgrund eines Entschließungsantrags des Deutschen Bundestags, in dem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgefordert worden war, die Schonvermögensgrenzen für sämtliche Bezieher von Sozialhilfeleistungen zu erhöhen, wurde die Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zum 01.04.2017 angepasst.

Seit April 2017 erhalten leistungsberechtigte Personen sowie deren Ehegatten bzw. Lebenspartner jeweils einen einheitlichen Schonvermögensbetrag i.H.v. 5.000,- € pro Person (bisher 1.600,- € bzw. 2.600,- € allein und 3.214,- € zu zweit). Alleinstehende minderjährige Kinder erhalten ebenfalls einen Schonvermögensbetrag von 5.000,- €. Weitere 500,- € Schonvermögen erhält jede weitere Person, die in Einstandsgemeinschaft mit dem Leistungsbezieher und dessen Ehegatten bzw. Lebenspartner lebt.


Neues aus der Gesetzgebung II

Neuer Mindestlohn in der Pflege ab 2018

 

Am 25. April 2017 hat sich die Pflegesatzkommission auf höhere Mindestlöhne für die Beschäftigten in der Pflege geeinigt. Bis Ende 2017 sollen die Löhne danach unverändert bei 10,20 € pro Stunde im Westen und 9,50 € pro Stunde im Osten bleiben.

Ab 2018 sollen die Mindestlöhne in der Pflege wie folgt steigen:

  • 01.01.2018: 10,55 € im Westen / 10,05 € im Osten
  • 01.01.2019: 11,05 € im Westen / 10,55 € im Osten
  • 01.01.2020: 11,35 € im Westen / 10,85 € im Osten

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) muss diese Empfehlung nun in eine Verordnung umsetzen, so dass die neuen Mindestlöhne ab Januar 2018 gelten können. Nach Mitteilung des BMAS sind davon rund 900.000 Beschäftigte in der Pflege betroffen.


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