September 2014

Neues aus der Rechtsprechung

Eine Einrichtung muss den Sozialhilfeträger auf Zahlung von Heimentgelten vor den Zivilgerichten verklagen. Ebenso muss der Sozialhilfeträger einen Rückforderungsanspruch zu viel gezahlter Heimentgelte gegen eine Einrichtung vor den Zivilgerichten einklagen.

(Beschluss des Bundessozialgerichts vom 18.03.2014, B 8 SF 2/13 R)

Ein Berliner Sozialhilfeträger hatte gegen eine Einrichtung auf Erstattung von 5.740,36 € überzahlter Heimentgelte vor dem Sozialgericht Berlin geklagt. Das Sozialgericht Berlin erklärte sich für unzuständig und verwies die Angelegenheit an das Amtsgericht Pankow/Weißensee. Gegen den Verweisungsbeschluss legte der Kläger Beschwerde vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein. Das LSG erklärte daraufhin für die Streitigkeit den Rechtsweg zu den Sozialgerichten als zulässig. Gegen diese Entscheidung legte wiederum die beklagte Einrichtung Beschwerde vor dem Bundessozialgericht (BSG) ein.

Das BSG kam zu dem Ergebnis, dass für die vorliegende Entgeltstreitigkeit der Weg zu den Zivilgerichten eröffnet ist und verwies das Verfahren an das aus seiner Sicht zuständige Amtsgericht Pinneberg.

Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei der zugrundeliegenden Entgeltstreitigkeit nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit der Sozialhilfe handelt, sondern um eine zivilrechtliche Streitigkeit auf Rückzahlung überzahlter Vergütung im Rahmen des sog. sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses. Zwischen dem klagenden Sozialhilfeträger und der beklagten Einrichtung bestehe ein sog. Leistungsverschaffungsverhältnis, da der Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers beitrete, mit dem die Einrichtung einen privatrechtlichen Heimvertrag geschlossen hatte. Nach Auffassung des BSG löst dieser Schuldbeitritt einen unmittelbaren Zahlungsanspruch der Einrichtung gegenüber dem Sozialhilfeträger aus. Zugleich geht das Gericht aber davon aus, dass die Rechtsnatur des zugrundeliegenden Anspruches nicht von einem zivilrechtlichen in einen öffentlich-rechtlichen Anspruch durch den Schuldbeitritt umgewandelt wird. Daher sind Streitigkeiten auf Zahlung offener Entgelte seitens einer Einrichtung bzw. Erstattung zu viel gezahlter Entgelte seitens eines Sozialhilfeträgers vor den Zivilgerichten durchzuführen.

Anmerkung:

Entgeltstreitigkeiten aus einem Heimvertrag zwischen dem Sozialhilfeträger und einer Einrichtung können somit zukünftig nur noch vor den Zivilgerichten ausgetragen werden. Der Ablauf des Klageverfahrens vor den Zivilgerichten unterscheidet sich deutlich von dem vor den Sozialgerichten. Dies ist in die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage mit einzubeziehen.


Die Minderung des Heimentgelts wegen mangelhafter Leistung ist nur durch ein explizites Kürzungsverlangen rückwirkend für sechs Monate möglich

(Urteil des OLG Frankfurt vom 20.10.2013, 1 U 153/12)

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte darüber zu entscheiden, ob der Kläger eine Minderung des Heimentgelts nach dem Tod seiner Schwiegermutter mit der Begründung geltend machen konnte, dass diese aufgrund von Personalmangel Hunger gelitten und Magenschmerzen bekommen hatte. Darüber hinaus versuchte er aufgrund einer Vernachlässigung, Schmerzensgeldansprüche gelten zu machen.

Das Pflegeheim hatte den Schwiegersohn nach dem Tod seiner Schwiegermutter auf Zahlung der zurückgehaltenen Heimpflegekosten verklagt. Der Beklagte wandte dagegen ein, dass seine Schwiegermutter nicht wie vereinbart betreut worden sei, indem die Versorgung mit Essen teilweise unterlassen worden sei. Vorab hatten seine Frau und er bereits mehrfach gegenüber dem Kläger die unzureichende Pflege bemängelt und die Zahlungen zurückbehalten, bis eine hinreichende Pflege wieder gewährleistet wäre.

Das Landgericht Frankfurt hatte den Beklagten dennoch zur Zahlung der ausstehenden Heimpflegekosten verurteilt. Diesem Ergebnis folgte auch die Berufungsinstanz. Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass der Beklagte und seine Frau gegenüber dem Pflegeheim nicht ausdrücklich die Minderung des Heimentgelts erklärt hätten. Die Angabe, dass die Zahlungen zunächst zurückbehalten würden, reichte laut OLG nicht aus. Stattdessen entstehe anders als im Mietrecht der Kürzungsanspruch nicht automatisch kraft Gesetzes, sondern erst durch die explizite Erklärung, dass eine Kürzung unter Angabe der Gründe erfolgt. Durch die Erklärung könnten auch nur zukünftige Ansprüche sowie rückwirkende Ansprüche für die letzten sechs Monate geltend gemacht werden. Selbst wenn die Gründe bereits länger als sechs Monate vorlägen, seien alle älteren Ansprüche verfristet und könnten nicht mehr gelten gemacht werden.

Auch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit etwaigen Schmerzensgeldansprüchen durch die mangelnde Pflege konnte laut Gericht nicht berücksichtigt werden, da nur die Ehefrau des Beklagten als Erbin der Verstorbenen diese Ansprüche hätte geltend machen können. 


Nach dem Versterben eines Arbeitnehmers geht sein Urlaubsabgeltungsanspruch auf die Erben über

(Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 12.06.2014, C-118/13)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte darüber zu entscheiden, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch eines verstorbenen Arbeitnehmers von seiner Ehefrau als Erbin gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden kann. 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging bisher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers keinen Anspruch auf Abgeltung nicht gewährten Urlaubs gegenüber dem Arbeitgeber haben. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hielt diese Rechtsprechung des BAG für einen Verstoß gegen geltendes Europarecht. Es legte daher die zu entscheidende Rechtsfrage dem EuGH zur sog. Vorabentscheidung vor.

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung des BAG gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88 EG verstößt und damit europarechtswidrig ist. Hiernach steht jedem Arbeitnehmer bezahlter Jahresurlaub von mindestens vier Wochen zu. Aus Sicht des Gerichts hat ein Arbeitnehmer, der diesen Mindesturlaub nicht nehmen kann, einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach Auffassung des EuGH kommt es für diesen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht darauf an, auf welche Art und Weise das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Auch der Tod eines Arbeitnehmers beendet das Arbeitsverhältnis, sodass seine Erben Anspruch auf Auszahlung der noch offenen Urlaubsabgeltung eines ggf. nicht genommenen Resturlaubsanspruches haben.

Hinweis:
Die Entscheidung bezieht sich bisher lediglich auf den nach dem Bundesurlaubsgesetz zu gewährenden Mindesturlaub. Steht dem verstorbenen Arbeitnehmer darüber hinaus (tarif-)vertraglich vereinbarter Urlaub zu, so ist dieser nach derzeitiger Rechtsprechung nicht abzugelten.


Der arbeitsrechtliche Tipp

Die Veröffentlichung von Mitarbeiter-Fotos

Die Rechte von Mitarbeitern bei Veröffentlichung von Fotos durch den Arbeitgeber, auf denen sie abgebildet sind, ergeben sich aus dem "Recht am eigenen Bild" (Art. 1, 2 Grundgesetz, § 22 Kunsturhebergesetz) und dem Datenschutzrecht.

Arbeitgeber sollten die folgenden Punkte beachten:

  • Mitarbeiter müssen eine wirksame schriftliche Einwilligung in die Veröffentlichung ihrer Bilder gegenüber dem Arbeitgeber erteilt haben. Ist eine solche Einwilligungserklärung in den Arbeitsvertrag integriert, so muss sie optisch besonders hervorgehoben werden (bspw. Fettdruck).

  • Arbeitnehmer können in einem Arbeitsvertrag nicht zur Abgabe einer Einwilligungserklärung in die Verwendung ihrer Fotos verpflichtet werden.

  • Hat der Arbeitgeber den Mitarbeitern ein jederzeitiges Widerrufsrecht hinsichtlich der Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotos eingeräumt, so muss er bei Ausübung dieses Widerrufsrechts die veröffentlichten Fotos des betroffenen Mitarbeiters umgehend entfernen.

  • Ist eine Widerrufsmöglichkeit nicht vereinbart, so dürfte ein Widerruf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur zulässig sein, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt. Der Arbeitgeber kann entsprechende wichtige Gründe auch gleich in der Einwilligungserklärung regeln.

  • Stand dem Mitarbeiter das Recht zum Widerruf seiner erteilten Einwilligung zu und macht er davon Gebrauch, so sollte der Arbeitgeber die verwendeten Fotos umgehend entfernen, da er sich anderenfalls Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen des Mitarbeiters ausgesetzt sehen kann.

Sind Mitarbeiter auf dem Bild nur sog. "Beiwerk", weil sie bspw. im Hintergrund zu erkennen sind, ohne gezielt abgebildet worden zu sein, so steht ihnen im Regelfall kein Recht auf Entfernung des veröffentlichten Fotos zu (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 Kunsturhebergesetz).


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Foto © Dirk Felmeden, Bundessozialgericht

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