Dezember 2014

Neues aus der Rechtsprechung

Eine Einrichtung muss den Sozialhilfeträger auf Zahlung von Heimentgelten vor den Zivilgerichten verklagen. Ebenso muss der Sozialhilfeträger einen Rückforderungsanspruch zu viel gezahlter Heimentgelte gegen eine Einrichtung vor den Zivilgerichten einklagen.

(Beschluss des Bundessozialgerichts vom 18.03.2014, B 8 SF 2/13 R)

Ein Berliner Sozialhilfeträger hatte gegen eine Einrichtung auf Erstattung von 5.740,36 € überzahlter Heimentgelte vor dem Sozialgericht Berlin geklagt. Das Sozialgericht Berlin erklärte sich für unzuständig und verwies die Angelegenheit an das Amtsgericht Pankow/Weißensee. Gegen den Verweisungsbeschluss legte der Kläger Beschwerde vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein. Das LSG erklärte daraufhin für die Streitigkeit den Rechtsweg zu den Sozialgerichten als zulässig. Gegen diese Entscheidung legte wiederum die beklagte Einrichtung Beschwerde vor dem Bundessozialgericht (BSG) ein.

Das BSG kam zu dem Ergebnis, dass für die vorliegende Entgeltstreitigkeit der Weg zu den Zivilgerichten eröffnet ist und verwies das Verfahren an das aus seiner Sicht zuständige Amtsgericht Pinneberg.

Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei der zugrundeliegenden Entgeltstreitigkeit nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit der Sozialhilfe handelt, sondern um eine zivilrechtliche Streitigkeit auf Rückzahlung überzahlter Vergütung im Rahmen des sog. sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses. Zwischen dem klagenden Sozialhilfeträger und der beklagten Einrichtung bestehe ein sog. Leistungsverschaffungsverhältnis, da der Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers beitrete, mit dem die Einrichtung einen privatrechtlichen Heimvertrag geschlossen hatte. Nach Auffassung des BSG löst dieser Schuldbeitritt einen unmittelbaren Zahlungsanspruch der Einrichtung gegenüber dem Sozialhilfeträger aus. Zugleich geht das Gericht aber davon aus, dass die Rechtsnatur des zugrundeliegenden Anspruches nicht von einem zivilrechtlichen in einen öffentlich-rechtlichen Anspruch durch den Schuldbeitritt umgewandelt wird. Daher sind Streitigkeiten auf Zahlung offener Entgelte seitens einer Einrichtung bzw. Erstattung zu viel gezahlter Entgelte seitens eines Sozialhilfeträgers vor den Zivilgerichten durchzuführen.

Anmerkung:

Entgeltstreitigkeiten aus einem Heimvertrag zwischen dem Sozialhilfeträger und einer Einrichtung können somit zukünftig nur noch vor den Zivilgerichten ausgetragen werden. Der Ablauf des Klageverfahrens vor den Zivilgerichten unterscheidet sich deutlich von dem vor den Sozialgerichten. Dies ist in die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage mit einzubeziehen.


Das Mindestentgelt in der Pflegebranche gilt auch für den Bereitschaftsdienst

(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.2014, 5 AZR 1101/12)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte darüber zu entscheiden, ob der Klägerin eine Nachzahlung von Arbeitsentgelt für Bereitschaftszeiten auf Basis des Mindestentgelts nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) zustehen.

Die Klägerin war bei der Beklagten, einem privaten Pflegedienst als Pflegehelferin beschäftigt. Sie war u.a. für die Pflege und Betreuung von zwei Schwestern einer katholischen Schwesternschaft zuständig, die beide an Demenz leiden und an den Rollstuhl gebunden sind. Die Klägerin arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten, während derer sie verpflichtet war, an der Pflegestelle anwesend zu sein. Sie bewohnte in dieser Zeit ein Zimmer in räumlicher Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Nur zweimal am Tag während des Mittagessens und des Besuchs eines Gottesdienstes hatte die Klägerin insgesamt zwei Stunden Pause.

Das BAG sprach der Klägerin eine Vergütung auf Basis des Mindestentgelts in der Pflege (damals 8,50 € p. Std.) für 22 Stunden am Tag zu. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist "je Stunde" festgelegt. Aus Sicht des Gerichts knüpft das Mindestentgelt damit an die gesamte vergütungspflichtige Arbeitszeit an, zu der neben der Vollarbeit auch die Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsdienst gehören, da die Arbeitnehmer sich während dieser Zeiten an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereitzuhalten haben, um bei Bedarf sofort die Arbeit aufnehmen zu können.

Das Gericht geht davon aus, dass der Verordnungsgeber für Zeiten des Bereitschaftsdienstes durchaus ein geringeres Mindestentgelt festlegen kann, hiervon aber in § 2 PflegeArbbV keinen Gebrauch gemacht hat.


Der heimvertraglich geregelte selbständige Schuldbeitritt einer dritten Person ist rechtswidrig

(Urteil des OLG Zweibrücken vom 23.07.2014, 1 U 143/13)

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hatte darüber zu entscheiden, ob ein Pflegeheimbetreiber als Anlage zum Heimvertrag eine Erklärung über einen selbständigen Schuldbeitritt einer dritten Person verlangen kann, in der sich der Dritte neben dem Bewohner zur Kostentragung der Pflegeheimkosten verpflichtet.

Der klagende Verbraucherschutzverband hatte von dem betroffenen Pflegeheimbetreiber die Unterlassung der Verwendung der folgenden Beitritserklärung verlangt: "Der Beitretende verpflichtet sich gegenüber dem Träger, selbständig und neben dem Pflegegast für die Verpflichtungen des Pflegegastes (z.B. Zahlungen) aus dem oben genannten Vertrag sowie für alle weiteren Verpflichtungen des Pflegegastes gegenüber dem Träger aufzukommen. Der Träger kann die Erfüllung seiner Ansprüche sowohl vom Pflegegast als auch vom Beitreibenden verlangen."

Das OLG Zweibrücken gab der Klage statt. Aus Sicht des Gerichtes verstößt die Beitrittserklärung gegen § 14 Abs. 1 WBVG, wonach der Unternehmer vom Verbraucher Sicherheiten verlangen darf, die das Doppelte des auf einen Monat entfallenden Entgelts nicht übersteigen dürfen. Da die Beitrittserklärung eine Anlage zum Heimvertrag ist, erweckt dies nach Auffassung des OLG den Eindruck, dass der Vertrag von der Abgabe der Beitrittserklärung abhängig gemacht wird und diese nicht freiwillig abgegeben wird.

Hinweis:
Eine tatsächlich freiwillig abgegebene Schuldbeitrittserklärung im Einzelfall, die keine Anlage des Heimvertrags ist, ist im Umkehrschluss rechtlich zulässig. Allerdings dürfte eine solche freiwillige Erklärung der absolute Ausnahmefall bleiben. Entsprechende heimvertragliche Vereinbarungen sollten aus den Verträgen entfernt werden, um sich nicht der Gefahr einer Abmahnung durch eine Verbraucherschutzorganisation auszusetzen.


Wir wünschen Ihren Familien und Ihnen fröhliche Weihnachten und ein glückliches und erfolgreiches neues Jahr!

Weitere Informationen finden Sie in unserer Mandanteninfo.

Fotos © Dirk Felmeden (Bundessozialgericht); Bundesarbeitsgericht


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